Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach, Neuwied

Einführung

Diese Arbeiten des Christoph Mancke sind nicht von der Art, die sich spontan dem Betrachter öffnet. Stattdessen sind sie - zumindest zunächst - ebenso zurückhaltend wie derjenige, der hinter ihnen steht. Person und Werke erscheinen in vollkommener Übereinstimmung. Also halten wir uns an eben diese Werke und versuchen, sie zum sprechen zu bringen. Dazu muß man sich ganz auf ihre Sprache einlassen, muss sich bemühen, Bestandteile und Regeln, Vokabular und Syntax eben dieser Sprache soweit wie möglich zu erfassen und nachzuvollziehen. Auffällig ist sofort das allen gemeinsame Material Eisen, genauer: gegossenes Eisen. Die Konsequenz, mit der Mancke seit etlichen Jahren immer wieder gerade dieses Material für seine Plastiken verwendet - vorher arbeitete er auch in Stein oder in Bronze - ist bemerkenswert. Schließlich ist Eisen ein Material mit ganz bestimmten Eigenschaften, eines auch, das ganz bestimmte Assoziationen weckt. Eisen, einer der Stoffe, deren Entdeckung beziehungsweise Verwendung für den Menschen einen so außerordentlichen Schritt voran in seiner Entwicklung und Geschichte bedeutete, verbindet sich mit Begriffen wie Härte, Schwere, Kraft - mit Technischem, Funktionell - Kühlem im weitesten Sinn. Mit Ästhetischem, jedenfalls zunächst, am allerwenigsten. Eisen, das ist nichts Glänzendes, Glattes wie Bronze, das ist nichts Natürliches, mit einem so ausgeprägten Eigencharakter wie Stein. Und doch bestimmt es ganz entscheidend die Wirkung der Plastiken Manckes mit. Eisen, das ist ein Material das sich bis zu einem gewissen Grade beliebig formen lässt, genau wie Bronze. Aber es ist eines, das anders als diese recht schnell eine ganz eigene, ausdrucksstarke Haut, eine Patina entwickelt, die man unter dem schlichten Namen «Rost» dann, wenn man das Material für technische oder praktische Zwecke einsetzt, eigentlich gar nicht schätzt. Aber hier kommt eben diesem Rost mit seinen schönen, natürlichen, samtigen Farbtönen, die vom dunkleren Braun bis zum hellen, leuchtenden Rot reichen können, eine wichtige ästhetische Bedeutung zu. Denn das, was er überzieht, sind Formen, die ihrerseits bei aller Reduktion und Abstraktion - vielleicht auch gerade wegen dieser - irgendwo natürlich, ganz selbstverständlich wirken. Anthropomorphes spielt in ihnen sicher mit; schließlich ist Christoph Mancke bei seiner bildhauerischen Arbeit zunächst einmal von der menschlichen Gestalt ausgegangen. Aber mittlerweile hat er sich doch so weit von ihr entfernt, dass es eher der Interpret ist, der dieses Menschliche als Halteschnur für seine Interpretation nach wie vor nachzuweisen sucht. Am klarsten finden sich Spuren des Anthropomorphen vielleicht noch in einigen älteren Plastiken, die man deshalb sogar, wenn man es unbedingt wollte, als «Torso» bezeichnen könnte. Als Torso liegender Gestalten. Aber das Attribut «liegend» beinhaltet zuviel Statisches, um den spannungsvollen Zustand, in dem sich diese Plastiken befinden, tatsächlich wiederzugeben. Denn diese Figuren gewinnen durch Drehungen und Verschiebungen eine unwiderstehliche Dynamik Da gibt es kaum eine wirklich ebene Fläche, eine wirklich gerade Linie oder Kante. Alles Geometrische, das man ja ebenfalls so gerne vergleichsweise strengen Arbeiten als Attribut beizuordnen sucht, ist aufgelöst. Alles ist in Fluss, in Bewegung, im Schwingen, und dieses Bewegen, Schwingen und Fließen wird noch akzentuiert durch die rissige, porige Struktur des Eisens, durch die rostige Patina, die sich ganz natürlich nicht über die ganze Arbeit gleichmäßig bildet, die dichter wird auf flächigen Partien, die Kanten und Konturen dagegen durchschimmern lässt und so akzentuiert. Man muss diese Arbeiten in des Wortes wahrstem Sinn « begreifen», muss sie haptisch erleben, um alle im Zusammenspiel von Form und Material möglichen feinen Nuancen aufnehmen zu können. Und dann wird man möglicherweise eher zugeben, dass man nicht unbedingt zum hilfreich Anthropomorphischen greifen muss, dass diese Plastiken in sich selbst ruhend sind. Das, was dabei auf den ersten Blick so monolithisch wuchtig, so blockhaft in seiner Geschlossenheit scheint, ist es in Wirklichkeit nicht. Mancke bricht die geschlossene Form auf. Vermeintlich massiv gegossene Stücke entpuppen sich als Hohlkörper, deren Innenleben roh, archaisch, wie in der Natur gewachsen anmutet. Das gilt für die ein- und genauso, gar noch verstärkt, für die mehrteiligen Werke. Christoph Mancke öffnet hier, und das ist durchaus wörtlich zu nehmen, regelrecht Tür und Tor. Ganz auffällig wird dieses Vorgehen in den Bildern und Zeichnungen, die bei Mancke, wie überhaupt bei so manchem Bildhauer, eine vorzügliche Möglichkeit bieten, Einblick in das Entstehen seiner Ideen, in das schrittweise Werden seiner Plastiken zu gewinnen. Denn in ihnen - bemerkenswert, daß der Künstler auch hier eine deutliche Vorliebe für die bis zum Schwarzen hin abgedunkelten Brauntöne zeigt - werden die « Portale » noch klarer, unter ihnen finden sich Blätter, die geradezu exemplarisch das mehrfache, rhythmisch abgestufte Öffnen einer im Prinzip schlichten, blockartigen Form durchexerzieren. Ein Zeichen dafür, dass Christoph Mancke von der völlig reduzierten Form abzuweichen beginnt? Das lässt sich in jedem Fall bejahen, manifestiert sich doch diese Abweichung schon seit etlicher Zeit ganz konkret in seinen Plastiken. Dem Aufbrechen der Form, dem Faktor der Bewegung - und auch das lässt sich in den Zeichnungen, von denen die einen erst Ideenskizzen, die anderen schon regelrechte Konstruktionszeichnungen sind, vorzüglich erkennen - kommt zunehmend Bedeutung zu. Vielleicht hängt damit auch die Vorliebe für mehrteilige Arbeiten zusammen, für Arbeiten, bei denen dieses Aufbrechen zur regelrechten Spaltung führt, bei denen zu den bisher konstatierten Spannungen noch die unübersehbare zwischen den beiden «Partnern» kommt. Partner sind es, die häufig ein labiles Gleichgewicht - welch Antagonismus auch das zum vermeintlich Wuchtigen, Schweren des Materials! - verbindet, die sich berührend, sich anlehnend gegenseitig stützen und halten, vereint oft in einer Art Schwebezustand zwischen Vertikale und Horizontale. Eine solche «Schräge» findet sich übrigens auch, dies sei als Randnotiz angemerkt, in der Rheinischen Landesvertretung in Bonn. Ergebnis eines Wettbewerbs für Kunst am Bau, den Christoph Mancke 1989 gewann, genauso wie zwei Jahre später denjenigen für Kunst am Bau für die Universität Trier. Diese Plastik ist übrigens mehrteilig, wobei die einzelnen Teile zueinander auf Distanz gehen, so verstärkt in den Raum, in die Landschaft hineinwirkend, betont kein in sich hermetisch abgeschlossenes Kunstwerk bilden. Wie sich denn ebenso bei den kleineren mehrteiligen Plastiken die Teile oft nicht wirklich berühren, sondern getrennt - oder sollte man besser sagen: miteinander verbunden? - werden durch portal- oder torähnliche Öffnungen. Wer unbedingt will, der mag in diese beiden Partner Weibliches oder Männliches hineinsehen; sinnvoller ist es in jedem Fall, auf dieses Hineinsehen zu verzichten und stattdessen von dem in der Plastik wirklich Immanenten auszugehen. Das gilt nicht weniger für andere Arbeiten, bei denen im Gegenteil die Partner eng miteinander verschmelzen, wie konvexe und konkave Formen regelrecht ineinander fließen. Genau damit aber stehen sie sich auch kontrapunktisch gegenüber. Die andere Variante wäre dann diejenige, bei der beide Teile nahezu homophon ein Thema wiederholen, dieses nur geringfügig und sehr harmonisch variieren. Aber sicher ist: Jeder wird bei intensiverer Beschäftigung mit dem Werk Christoph Manckes noch unzählige weitere Varianten finden, wird erkennen, dass der Sprachschatz dieser Plastiken, um zu der Eingangsmetapher zurückzulenken, weit vielfältiger ist, als es möglicherweise bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein haben mag, das Regelsystem viel komplexer und komplizierter, als man zunächst dachte. Gerade das aber macht die Beschäftigung mit diesen Werken, das Eingehen auf ihre Sprache so spannend und anregend.